von Reiner Tannhäuser, Verden
In den kritischen Tagen der Monate
Juni und Juli 1866, war nicht nur die schlesisch preußische Grenze bedroht,
sondern das Schicksal Gesamtschlesiens hing in der Schwebe. Nicht nur in Berlin,
auch in Wien hatten sich die Gedanken um Schlesien gedreht. Unsere Vorfahren
durchlebten in jener Zeit bange Tage und Nächte, ob Schlesien wiederum Kampfgebiet
werden sollte, wie es schon mehrmals in der Geschichte war, oder ob bei einem
ungünstigen Kriegsausgang, Verschiebungen der Staatsgrenzen eintreten würden.
Die Schlesier die sich als Preußen fühlten, hatten durchaus kein Verlangen,
wieder österreichische Staatsbürger zu werden. Das Schlesien Durchmarsch- und
Aufmarschgebiet sein würde, unterlag keinem Zweifel. Viele Ortschroniken berichten,
das Durchmärsche und Einquartierungen zu verzeichnen waren. Desgleichen auch,
daß nach den Kampfhandlungen die Verwundetentransporte zur Betreuung in Stadt
und Land untergebracht werden mußten. Dieser kurze aber sehr blutige Krieg wurde
vor allem als Entscheidungsschlacht bei Königgrätz (03.07.1866), siegreich beendet.
Wenn wir heute diesem damaligen Geschehen ein Gedenken widmen, so nicht etwa
um einen Feldzug und den errungenen Sieg zu glorifizieren, vielmehr um eingedenk
zu sein, daß die deutsche Geschichte durch 1866 um einen Bruderkrieg noch reichhaltiger
geworden war. Es soll nicht unsere heutige Aufgabe sein, die damaligen politischen
Geschehnisse zu detaillieren, es genügt das zu sagen, was schon immer gesagt
wurde: "Wenn die Politik in eine Sackgasse geraten ist, muß der Soldat
dafür bluten!" Bruno Brehm hat in seinem Buch "Am Ende stand
Königgrätz" alles sehr präzise dargelegt. Es ging kurz gesagt, damals
um die Vormachtstellung in Deutschland, das als Kaiserreich ja schon längst
nicht mehr existierte, sondern bereits in zwei verschieden Richtungen sich konstituiert
hatte. Nach außen hin war wohl Zwist wegen Schleswig Holtstein in den Vordergrund
gestellt, jedoch auch nur um anderen Mächten und der Welt gegenüber den Krieg
zu rechtfertigen. Österreichs Vormachtstellung im deutschen Bundestag sollte
gebrochen werden. Man kann es heute ruhig sagen, daß der damalige preußische
Ministerpräsident Otto von Bismarck der Vater des Gedankens war. Es war nicht
so einfach für ihn seine politischen Pläne in die Tat umzusetzen. Der König
Wilhelm I., der Kronprinz Friedrich, ja selbst in höheren militärischen Kreisen,
war keine rechte Stimmung für diesen Krieg. Selbst größere Städte wie Königsberg,
Köln und andere traten gegen Bismarck und den Krieg auf. Schlesien versprach
durch Breslau, es werde wie 1813 an Opferwillen nicht nachstehen. Am 07.05.1866
wurde ein Attentat auf Bismarck verübt. Das Parlament hatte keine Mittel für
die Heeresreform und dergleichen bewilligt. Bismarck kam ohne Mittel zurecht.
Er setzte seinen Plan durch, denn letztlich mußte eine starke Streitmacht vorhanden
sein und die Waffen mußten entscheiden. Auch Österreich hatte gerüstet. Der
deutsche Bundestag in Frankfurt a. M. sowie die Staaten Mittel- und Süddeutschlands
stellten sich an die Seite Österreichs und nur die Fürstentümer Norddeutschlands
standen zu Preußen. Um Preußen einen Sieg zu sichern, hatte Bismarck gut vorgearbeitet
und alle Register gezogen. Napoleon III. mit seinen Intriegenspiel wollte gern
der lachende Dritte sein. Zwischen Preußen und Italien war ein Bündnis geschlossen
worden, denn Italien hatte Bestrebungen, Venetien und die Lombardei für sich
zurück zu gewinnen, noch nicht aufgegeben. Österreich hatte somit einen Zweifrontenkrieg
zu bestehen. Eine damals noch eigenartige Idee wurde an dem italienischen Außenminister
La Mamora herangetragen, Bismarck sei bereit die Hälfte an Ungarn und Slawen
zu zahlenden Betrag von 3 Millionen Francs zu zahlen, das egebe für jede Regierung
1 ½ Millionen bei Beginn und 2 Millionen dann bei Erhebung der befraglichen
Bevölkerung bezahlt werden. Der italienische Staatsschatz sollte das einstweilen
vorstrecken. Weil der preußische König solche Methoden als unsauber betrachtete
und La Mamora Bismarck verdächtigte, den Italiener selbst diese Sache zuzuschieben,
um sich selbst die Hände nicht zu beschmutzen, lehnte er auch das ab. Trotzdem
waren der ungarische Revolutionär und Freiheitskämpfer Kossuth und der ungarische
General Klapka auf den Plan gerufen und drängten mit ihrem Angebot, denn sie
rechneten zumindest mit Meutereien der ungarischen, kroatischen und slowakischen
Regimenter innerhalb des österreichischen Heeres. Selbst dem Garibaldi wurde
eine Rolle zuerkannt. Bei der Abstimmung des Bundestages in Frankfurt a. M.
am 14.06.1866 betreffend der Mobilisierung, erklärte sich die Mehrzahl gegen
Preußen, dabei auch Sachsen. Das von Preußen am 15. Juni an Sachsen, Hannover
und Kurhessen gerichtete Ultimatum wurde verworfen. Es folgte daraufhin die
Kriegserklärung von Preußen. Österreich hatte bereit Italien die Südarmee und
gegen Preußen die Nordarmee aufgestellt. Der König von Preußen erließ am 18.
Juni in Berlin: "Den Aufruf an mein Volk!" Die Kriegsmaschinerie lief
auf Hochtouren.
Den Oberbefehl über die in Böhmen sich befindliche Nordarmee hatte der Feldzeugmeister
Benedek. Als Bismarck am 14. Juni die Endforderung an Sachsen aufgestellt hatte,
war von Moltke bei ihm eingetreten und Bismarck fragte, ob er nicht 24 Stunden
früher marschieren lassen könnte? Moltke sagte zu, fragte aber Bismarck, ob
er nicht wisse, daß in Dresden die Brücken gesprengt worden sind? Da war Bismarck
erschrocken, aber Moltke beruhigte ihm indem er sagte: "Mit Wasser!"
Gleich zu Anfang hatte sich ein Kuriosium militärischer Art ereignet. Der preußische
General von Manteuffel hatte den Befehl erhalten, die bei Altona zusammen gezogene
Brigade der Österreicher aus den Elbherzogtümern zu zernieren, also den Abmarsch
durch die auf der Elbe stationierten Kanonenboote zu verhindern. Aber die Erinnerung
an gemeinsam bestandene Kämpfe gegen Dänemark, waren stärker gewesen als der
Befehl. Die Österreicher marschierten unbehelligt ab und die Kapelle des preußischen
Seebataillons spielte dazu "Gott erhalte Franz den Kaiser!" Bismarck
erteilte Manteuffel eine Rüge und brachte u.a. zum Ausdruck, er hatte gehofft
daß er (Manteuffel) etwas York spielen würde! Manteuffel hatte aber später alles
wieder eingeholt und gut gemacht. Am 15. Juni marschierten die Preußen schon
in Hannover, Kurhessen und Hessen ein. Desgleichen auch in Sachsen. Die 32000
Mann Sachsen, unter dem Befehl des sächischen Kronprinzen, hatten sich nach
Böhmen zurückgezogen, um sich mit den Österreichern zu vereinigen zu können.
Die Gliederung der preußischen Streitkräfte war, von Westen anfangend wie folgt:
Für den Westen war die sogenannte Mainarmee aufgestellt. Sie bestand aus den
3 Divisonen der Generale Beyer, von Goeben und Manteuffel, verstärkt durch Landwehr
und Marineeinheiten. Den Oberbefehl führte General von Falckenstein. Die Elbarmee,
unter General Herwarth von Bittenfeld, bestand aus dem 7. und 8. Armeekorps.
Die erste Armee stand unter Prinz Friedrich Karl, bestand aus dem 2., 3. und
4. Armeekorps. Die 2. Armee war die relativ stärkste Armee des preußischen Kronprinzen
Friedrich und bestand aus der Garde, dem 1., 5. und 6. Armeekorps. Die Operationen
der einzelnen Armeen genau aufzuführen ist nicht im Sinne dieses Buches, da
sich dieses Buch hauptsächlich der damaligen Ereignisse in Schlesien und Böhmen
gewidmet sein soll.
General von Falckenstein hatte mit seinen schwachen Kräften die ihm gestellte
Aufgabe voll und ganz erfüllt.
Von den Kämpfen im Westen war die Schlacht bei Langensalza am 27. Juni von Bedeutung,
wonach am 28. Juni 19000 Mann Hannoveraner kapitulierten. Vogel von Falckenstein
war ein geborener Schlesier, in Breslau 1797 geboren, ein verdienter und mit
höchsten Orden ausgezeichneter Offizier. Seine militärische Laufbahn begann
schon 1813 in der schlesischen Armee. Trotz seiner Erfolge im süddeutschen Raum
wurde er am 19. Juli abberufen, da er verschiedentlich gegen die Absichten des
"Großen Hauptquartiers" gehandelt hatte. Wenn Manteuffel etwas zu
wenig, so hatte Vogel von Falckenstein wohl zu viel York gespielt! Er wurde
in andere Dienststellen versetzt und 1873 entlassen. Er starb 1885 auf Gut Dolzig
in Schlesien.
Die Elbarmee war eigentlich als Flankenschutz der 1. Armee gedacht, war dann
selbst an beiden Flanken gefährdet und wurde am 19. Juni an die 1. Armee herangezogen.
Am 23. Juni passierten preußische Ulanen der 1. Armee die sächsisch österreichische
Grenze. Bei Alt-Habendorf fiel der österreichische Husarenzugführer Emmerich
Berta. Er war der erste Tote dieses Krieges. Am 24. Juni stand Prinz Friedrich
Karl bei Reichenberg. Die Truppen waren überfordert und bedurften eines Ruhetages.
Auch mußte noch die Elbarmee restlos heran. Über den 26./27. Juni kämpften sich
die Preußen über Podol bis Gitschin vor. Bei Gitschin am 29. Juni erlitten die
Österreicher und Sachsen eine weitere Niederlage. Dieser Erfolg hatte nun die
Vereinigung der 1. und 2. Armee gesichert. Am 02. Juli bezog König Wilhelm in
Gitschin sein Hauptquartier und übernahm den Oberbefehl über sämtliche Truppen.
Der Schlachtenplan für Königgrätz wurde entworfen. Die Absicht des Gegners war,
die 1. Armee zuerst anzugreifen und zu schlagen, weshalb die Nachricht an die
2. Armee erging sich zwecks Vereinigung in Marsch zu setzen. Am 03. Juli früh
begann nun die Schlacht von Königsgrätz durch Angriff der 1. Armee. Die Österreicher
hatten sich in gut ausgebauten Stellungen aufgebaut und kämpften zäh und verbissen.
Besonders die Massenaufstellungen der österreichischen Artillerie auf den Höhen
von Chlum verhinderte das Vorwärtsstürmen der Preußen, so daß die Schlacht fast
zum Stillstand gekommen wäre. An allen Orten der Schlacht wurde erbittert gekämpft,
alles hoffte auf ein rechtzeitiges Eintreffen der 2. Armee, die sogenannte schlesische
Armee, müßten wir uns im Gedenken eigentlich etwas näher betrachten. Schon in
der Person des Kronprinzen Friedrich, der im Volk sehr beliebt war, sah man
den Garant für Schlesien. Gleich allen Kriegsteilnehmern befand er sich sofort,
getrennt von seiner Familie im Feld. Einige Zeilen eines Briefes der Kronprinzessin
Viktoria an ihm, seien hiermit kurz wiedergegeben: "Herzgeliebter Mann,
wie weh tut es mir, Dir noch Angst und Sorgen zu machen, jetzt in diesem Augenblick,
wo die ruchlose Politik eines bösen Mannes das Vaterland in solche Gefahr gebracht
hat, daß alle Kräfte nötig sind, vornehmlich aber die Deinigen, um ferneren
und größeren Übeln vorzubeugen. Jetzt wo dein Kopf frisch und Dein Herz unbekümmert
sein müßte. Schrecklich ist mir´s .... (Der zweijährige Sohn des Kronprinzenpaares,
war derzeit verstorben"). In seiner Armee befanden sich u.a. die schlesischen
Regimenter im Verband mit den 5. und 6. Armeekorps, in diesen dienten sehr wahrscheinlich
so mancher Urgroßvater.
Die 2. Armee, vornehmlich das 5. und 6. Armeekorps sicherte zunächst die Grenze
Schlesiens, weshalb wir auch verstehen, daß Ende Mai 1866 schon Einquartierungen
und Aufmärsche im Grenzland stattfanden. Laut Chronik Langwaltersdorf (E. Wirth)
waren am 27. Mai daselbst schon Truppen einquartiert. Ende Juni hat der Kronprinz
daselbst an der Waldenburger Str. den Vorbeimarsch der Truppen, die aus Richtung
Waldenburg kamen, abgenommen. Vermutlich Einheiten des 1. Armeekorps oder der
Garde, die von der Eisenbahnstation Freiburg kamen. Am 20. Mai rückten die ersten
preußischen Truppen in Landeshut ein und wenig später war im gesamten Landkreis
Landeshut das komplette 5. Armeekorps versammelt. Am 05. Juni hielt der Kronprinz
eine Besichtigung des Korps ab, die auf den Feldern zwischen Landeshut und Reichhennersdorf
stattfand. Das Korps ist dann nach die Grafschaft Glatz abgerückt. Es folgten
dann die Ostpreußen vom 1. Armeekorps, die von Görlitz, dem Endpunkt der Eisenbahn
marschiert kamen. Am 27. Juni überschritten sie die Grenze bei Liebau und Schömberg.
Auf allen Straßen wurde marschiert, selbst durch Liebersdorf und Gaablau, welche
Straße gewiß nicht im besten Zustand war. Da durch die drückende Hitze die Soldaten
erschöpft waren, stellten die Einwohner Gefäße mit Wasser an der Straße auf.
Am 27. Juni folgte dann der Kampf um Trautenau. Dort wurde das 1. Armeekorps
unter General von Bonin von den 10. österreichischen Armeekorps unter General
Gablenz zurückgedrängt. Die Verwirrung muß groß gewesen sein, da die Bagage
und die Troßfahrzeuge bis nach Landeshut zurück geflüchtet waren. Die Schuld
lastete auf Bonin, der die Hilfeleistung der Garde abgelehnt hatte. Am nächsten
Tag den 28. Juni wurde aber Gablenz dann doch noch von der Garde bei Soor unweit
von Trautenau, angefaßt und geschlagen. Der Sieg von Trautenau war sofort nach
Wien gemeldet worden, bis die Ernüchterung erfolgte, als die Meldung von der
Niederlage eintraf.
Die Österreicher verloren bei Trautenau (27. Juni) 190 Offiziere und 4596 Mann
an Toten und Verwundeten. Die Preußen verloren 56 Offiziere und 1282 Mann. Am
zweiten Tag verloren die Österreicher dazu 400 Gefangene, 2 Fahnen, 10 Geschütze.
Der Durchbruch durch das Gebirge, war dann an dieser Stelle doch noch geglückt
und der Feind von der Grenze abgedrängt. Verwundetentransporte setzten ein und
mußten aufgenommen werden, Freund und Feind lagen nebeneinander. Selbst über
Bolkenhain hinaus erhielten die Städte und Dörfer Zuweisungen dieser Kriegsopfer
zur Betreuung. Viele sind noch gestorben, allein Landeshut verstarben 99 Verwundete
(42 Preußen und 57 Österreicher) die auf einem neuen Militärfriedhof beerdigt
wurden. Das V. Armeekorps unter General von Steinmetz drang aus der Grafschaft
Glatz durch das Gebirge nach Böhmen vor. Die Österreicher die sich Steimetz
am 27. Juni bei Nachod entgegenstellten, wurden geschlagen. Desgleichen errang
Steinmetz am 28. Juni bei Skalitz und am 29. Juni bei Schweinschädel Erfolge.
Am 03. Juli schon in der Frühe marschierte die 2. Armee des Kronprinzen, die
um Königinhof gestanden hatte ab und konnte gegen Mittag, noch zur rechten Zeit
auf dem Schlachtfeld Königsgrätz eingreifen. Sie umfaßte die rechte Flanke der
Österreicher und als diese sich noch den Rücken angefaßt fühlten, traten sie
den Rückzug an. Die dramatischen Ereignisse der Schlacht und des Rückzugs zu
schildern erübrigt sich in dieser Einleitung. Die österreichische Artillerie
hatte mit bestaunenswerter Bravour den Rückzug gedeckt. Es war ein hart umkämpfter
Sieg gewesen, der den ganzen Feldzug die entscheidende Wendung gab. Die Franzosen
und Engländer bezeichneten diese Schlacht nicht als Königgrätz sondern als Sadowa,
wofür keine besondere Begründung vorhanden war. König Wilhelm der I. und die
siegreichen Generäle, hatten nun Absicht, ihren Siegeszug in Wien zu halten.
Als ein ehrenwertes Meisterstück Bismarcks ist es zu werten, das er dieses verhinderte,
denn er wollte Österreich nicht demütigen. Nur mit der Hilfe des Kronprinzen
hatte er dieses erreicht, denn er war in diesem Punkte aufgeschlossener als
sein königlicher Vater. Zu bedenken war außerdem, daß im preußischen Heer die
Cholera ausgebrochen war und die weit entfernt liegende Rheingrenze ungeschützt
verblieb.
Die Cholera hatte natürlich schon ihre Opfer gefordert. Einen tragischen Fall
hatte Langwaltersdorf zu verzeichnen. Ein Sohn des Gemeindescholzen Bettermann
war bei Königgrätz gefallen. Der Vater fuhr mit seinem Knecht und Fuhrwerk dahin,
um den Sohn im Heimatort zu beerdigen. Der Knecht kam mit zwei Leichen zurück,
da der Schulze Bettermann von der Cholera befallen und gestorben war.
Die Schlacht bei Königgrätz kostete allein die Preußen 359 Offiziere und 8794
Mann an Toten und Verwundeten. Die Österreicher verloren daselbst, 5 Fahnen,
160 Geschütze, 22000 Gefangene, 20000 Mann an Toten und Verwundeten, allein
über 500 tote Offiziere. Während der Vormarsch nach Wien durch Bismarck abgebremst
worden war, wurde in Süddeutschland noch gekämpft. Am 16. Juli zogen die Preußen
nach verschiedenen vorangegangenen Erfolgen in Frankfurt a. M. ein. Der Bundestag
war geflohen. Waffenstillstandsverhandlungen hatten dann eingesetzt und am 23.08.1866,
wurde der Friede zu Prag geschlossen. Frankreich hatte sich als Vermittler angeboten.
Schleswig Holtstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt a. M. fielen
zu Preußen. Die übrigen im Kampf gegen Preußen beteiligten, süddeutschen Staaten
hatten eine Kriegsentschädigung zu entrichten. Was sonst hinter den Kriegskulissen
gespielt worden war, dazu ein Beispiel:
Der schon erwähnte ungarische General Klapka, hatte von Bismarck gefördert und unterstützt bei Oderberg, das aus 2000 Gefangenen der Festungen bestehende "königliche preußische Parteigänger Korps" gesammelt und ging trotz Abratens seiner Stabsoffiziere, über die ungarische Grenze. Er kam nicht weit. Ein preußischer Generalstabsoffizier verkündete Klapka den Waffenstillstand, als könne man mit Irregulären so umgehen wie mit Regulären. Von zwei Seiten rückten aber auch schon österreichische Truppen gegen Klapka vor, der nun zurückwich, wobei sein Adjutant Graf Scherr-Thoß gefangen wurde. Er wurde in Krakau vor ein Kriegsgericht gestellt und als Hochverräter zum Tode verurteilt. Bismarck war nun der rettende Engel, denn Bismarck drohte nun, er werde jene Bürger erschießen lassen, die am 27. Juni in Trautenau während des Kampfes um die Stadt, aus den Fenstern auf preußische Soldaten geschossen hätten! Letztendlich kam es zu einen Handel, denn die verhafteten Bürger Trautenau waren insgesamt 80 Tage in Posen in Haft. Bismarck hatte dann Klapka als Parteigänger bezahlt und zwar mit Sachsen als Kriegsentschädigung! Obwohl Österreich in Italien siegreich gewesen war, gingen ihm die Besitzungen Italiens verloren. Es mußte auch aus dem "Deutschen Bundestag" austreten. Zweiundzwanzig Bundesstaaten vereinigten sich im "Norddeutschen Bund". Der preußische König war "Oberbefehlshaber der Bundestruppen" und Bismarck "Bundeskanzler"! Mit diesem Krieg hatte Bismarck somit die Voraussetzungen für das zweite deutsche Reich geschaffen, daß am 18.01.1871 in Versailles auch proklamiert worden war.
Warum die Österreicher den Krieg verloren,
dafür gab es Gründe verschiedener Art. Österreich war seit den Revolutionsjahren,
faktisch kaum zur Ruhe gekommen. Kämpfe und Kampfbereitschaften waren durch
die Freiheitsbestrebungen der verschiedenen zur Krone der Habsburger gehörenden
Völker bedingt gewesen. Auch außenpolitische Geschehen ließen Wachsamkeit im
Osten und Süden ratsam erscheinen. Der Staat war somit verschuldet und die erforderlichen
Mittel zur Hebung der Kampfkraft fehlten. Nur der Wiener Hof soll keine Sparmaßnahmen
gekannt haben. Man hatte andererseits einen beträchtlichen Teil von den Infanterie
Regimentern langfristig in Urlaub geschickt, um die Besoldung einzusparen. Die
Bewaffnung der Infanterie war mit den Vorderladergewehren veraltet. Die Preußen
hatten längst das Zündnadelgewehr (Hinterlader) eingeführt, das die Österreicher
schon 1864 bewundert hatten. Das Salvenfeuer der Zündnadelgewehre soll eine
verheerende Wirkung gehabt haben. Als Moltke 1865 in Wien weilte und das Arsenal
besichtigte, hatten dort 160000 Gewehre gelegen. Sie sind offenbar nicht fertig
gewesen, als man sie benötigte. Die Geschütze der Artillerie hatten bereits
ein gezogenes Rohr und waren somit der preußischen Artillerie überlegen gewesen.
Die Kampfweise der Österreicher war ebenfalls veraltet. Sie kämpften noch in
der geschlossenen Ordnung und mit Bajonettangriffen, mit Musik wurde ins Gefecht
marschiert; die Offiziere voran, weshalb der Ausfall an Offizieren so groß war.
Die Einheiten ohne Offiziere ergaben sich, zumeist wenn es sich um ungarische
oder italienische Regimenter handelte. Die Preußen kämpften bereits in der geöffneten
Ordnung, in Schützenreihen. Die Röcke der Österreicher waren weiß und daher
gut sichtbar. Erst später ist die blaue Uniform eingeführt worden. Die einberufenen
Urlauber und notdürftig ausgebildeten Rekruten waren den Anforderungen nicht
gewachsen. Die Eisenbahnen waren zumeist entgleist. Selbst am nötigen Kleinmaterial
hatte es gefehlt und oftmals mußte der Schulatlas aushelfen. Daß es an der straffen
und einheitlichen Führung gemangelt hatte, war nicht etwa die alleinige Schuld
des Feldzugmeisters Benedek, vielmehr derjenigen Helden, die in Wien saßen und
ihm dauernd in´s Handwerk pfuschten. Benedek hatte sich von Anfang an gesträubt
das Oberkommando der Nordarmee zu übernehmen, da seine Gesundheit bereits stark
angeschlagen war, auch war ihm die Plattform des Krieges Böhmen und Schlesien
unbekannt, ferner machte er geltend, daß er noch nie im Generalstab tätig gewesen
sei. Schließlich gehorchte er doch den Befehl seines Kaisers. Die ihm zugeteilten
Offiziere waren zumeist "Salon-Offiziere"! Er hatte sich mit seiner
Hauptmacht bei Olmütz in guter Stellung festgesetzt; von dort aus war der Vorstoß
nach Schlesien gegeben und zum anderen war Olmütz für den Weg der Preußen nach
Wien ein Hindernis. Oberschlesien war nur durch das VI. Armeekorps schwach gesichert.
Durch die ständigen Befehle aus Wien, denen er sich zuerst widersetzt hatte,
mußte doch wegen der Sachsen unter dem sächsischen Kronprinz Albert, Olmütz
aufgeben und eine Linkswendung durchführen, womit viel Zeit verloren ging. Er
selbst klagte in seinen Meldungen über die schlechte Marschdisziplin, über ungenügende
Ausrüstung und Ausbildung der Truppen, über mangelnde Verpflegung zufolge des
Versagens des Nachschubs, über verstopfte Straßen und Eisenbahn, die fast noch
überall eingleisig waren. Benedek hatte vorwiegend in Italien gekämpft, wo besonders
noch unter Radetzky, ein besserer Wind geweht hatte. Nach den ersten Niederlagen
hatte Benedek zum rechtzeitigen Frieden geraten, aber man hatte nicht auf ihm
gehört. Auf ihm lastete die schwere Verantwortung!
Die zu Österreich stehenden deutschen Staaten waren nicht besser gerüstet und
beschränkten sich vornehmlich auf die Verteidigung ihrer eigenen Grenzen und
Interesse, mit Ausnahme von Sachsen, das sich rechtzeitig mit seinen Kräften
zu Österreich gesellt hatte. Das Stärkeverhältnis war ungleich und es lag das
Übergewicht, besonders noch durch die Verbündeten auf der Seite Österreichs.
Wer war nun Benedek? Seine Person ist es wert, etwas von ihm aufzeigen denn
auch ein tapferer Gegner sollte immer die gebührende Anerkennung finden. Ludwig
von Benedek wurde 1804 in Ödenburg in Ungarn geboren. Sein Vater war Arzt. Diese
Familie war protestantisch und gehörte dem Kleinadel an. Ein Sohn wurde ebenfalls
Arzt und Ludwig für den Soldatenberuf begeistert, besuchte die Wiener-Neustädter
Militärakademie. Dann 1822 Fähnrich, 1833 Oberleutnant usw. In den Revolutionsjahren
1848/49 war er Oberst und wurde aber noch 1849 zum Generalmajor befördert. Da
die Ungarn sich 1848 auch erhoben hatten und einen Freiheitskampf führten, wurde
Benedek der Befehl über Ungarn angeboten und die Beförderung zum Feldmarschall
Leutnant versprochen. Er wollte seinen Fahneneid nicht brechen und lehnte ab.
1854 war er Kommandeur des 4. Armeekorps in Lemberg. 1859 befehligte er das
8. Armeekorps in Italien. 1860 Feldzeugmeister und Generalgouverneur in Ungarn.
Gleich darauf Oberbefehlshaber in Venetien. Durch seine Tapferkeit und durch
sein Soldatenglück, war er populär geworden. Gesundheitlich hatte er schon gelitten
und um Pensionierung gebeten, die aber in Hinblick auf die bedrohliche Lage
des Vaterlandes Österreich abgelehnt worden war. Als er 1866 den Oberbefehl
der Nordarmee übernehmen mußte, hatte er offen dargelegt, daß dieses über seine
Kräfte und Fähigkeiten geht. Er gehorchte, da er Soldat war. Viel war auf sein
Soldatenglück gebaut worden. Alle seine Briefe an seine Frau, an seine Kameraden,
an vorgesetzte Dienststellen und selbst an den Kaiser zeugen von einen lauteren
und aufrichtigen Charakter, nebst Gottvertrauen und Treue zu seinem Kaiser.
Er war kein Generalstäbler, er selbst sagte, daß er dazu kein Sitzfleisch habe.
Er sorgte für seine Heiducken und sprach mit ihnen in ihrer eigenen Landessprache,
wodurch sie sich für ihm begeisterten. Aber bei der unfertigen Nordarmee und
zumal noch bei Königsgrätz, zog auch das nicht mehr. Er führte die geschlagene
Armee über Olmütz und Ungarn zurück. Er wurde des Oberbefehls enthoben und vor
ein Kriegsgericht gestellt. U.a. wurde ihm als schwerwiegend zur Last gelegt,
daß er bei Königgrätz Stellungen bezog, wo die Elbe im Rücken war. Ein Urteil
ist nicht ergangen, da der Kaiser das Verfahren einstellen ließ. Vielleicht
hatte er sich selbst, nebst Ratgebern mitschuldig geführt! Während Bismarck
mit einer Dotation gewürdigt wurde, ging Benedek in die Versenkung. Wohl erhielt
er eine Pension, lebte aber in größter Zurückgezogenheit und starb 1881 in Graz,
nachdem er alle Orden und Dokumente verbrannt hatte.
Ereignisse aus dem Landkreis Landeshut
im Jahre 1866.
Unsere Großeltern, Urgroßeltern haben von patriotischen Lehrern in der Schule
gelehrt bekommen, daß der Krieg 1866 notwendig war, weil das Königreich Preußen
seine Vorherrschaft im deutschen Sprachraum unter Beweis stellen mußte, um einmal
im geeigneten Augenblick auch die Führung des neuen Kaiserreichs
unter Ausschluß Österreichs übernehmen zu können.
Ein umfassendes Bild über die Kriegsgeschehnisse soll hier dargestellt werden,
die Informationen hierzu sind einer großen Menge alter Zeitungen und anderer
Literatur entnommen.
Da sich das Kriegsgeschehen vornehmlich gegen Österreich und seine Verbündeten richten sollte, ist es nicht verwunderlich, daß gerade Schlesien in jenen Tagen des Sommers 1866 ein unfriedliches, ein kriegerisches Bild darbot. Die "Neue Preußische Zeitung" vom 04.05.1866 berichtet hierüber in einer kurzen Notiz:
"Breslau, 01.05.1866. Militärisches. Gestern sah man Soldaten verschiedener schlesischer Regimenter auf unseren Straßen. Dieselben sind von sämtlichen Truppenteilen des 6. Armeekorps hierher zu einer mehrwöchigen Übung im Krankenträgerdienst kommandiert und zu einer Kompagnie zusammengezogen.
Glatz, 08.05.1866. Der Grenzverkehr hat beinahe aufgehört; Preußen gehen nicht hinüber, weil sie sich Insulten der Gewalttätigkeiten ausgesetzt sehen. Interessant dürfte es sein zu erfahren, daß sie sonst um diese Zeit von Mähren und Böhmen stattfindenden Prozessionen nach Albendorf und Wartha bis jetzt ausgeblieben sind, und wie jetzt verlautet von der jenseitigen Grenzbehörden nicht nach Preußen herübergelassen werden."
D.h. die Grenze war schon zu diesen Zeitpunkt ein feindseliger Raum. Für die Bewohner der Grenzgemeinden war es ein Jammer, denn auf beiden Seiten der Grenze lebten Deutsche, und wurden aufgrund der hohen Politik zu Feinden gemacht.
Immer mehr wurde es zur Gewißheit, das 1866 auf den Schlachtfeldern Böhmens viel Blut auf beiden Seiten fließen würde. Die Zeitungsausgabe vom 09.05.1866 berichtete aus Österreich:
"Innsbruck, 30.04.1866. Überall begegnet man hier Rekruten, Reservisten und Urlaubern, die sämtlich bis auf den letzten Mann einberufen sind."
Aber in Preußen stand man mit den Rüstungen Österreichs in nichts nach, in der Ausgabe vom 10.05.1866 wird berichtet:
"Breslau, 08.05.1866. Männlich und ernst in die Stimmung, mit welcher sich Preußen für den schweren Kampf, welcher ihm jetzt bevor steht, rüstet. Nirgends zeigt sich eine Exaltation, welche einen Rausche gleicht, Verblendung erzeugt, nur zu häufig die nötige Vor- und Umsicht verhindert und der erste Schritt zum Verderben wird. Aber auch nirgends eine Spur von Kleinmut oder Besorgnis. Voll Vertrauen blicken alle Preußen auf des Königs Majestät und dessen Regierung, und so viel wie möglich arbeitet jeder, dafür zu sorgen, daß uns der Sieg zu Teil werde.
Schlesien ist die Provinz, welche von den Drangsalen des Krieges zunächst bedroht ist, aber sie wird sich bewähren als schönste Perle der Krone Preußens. Mit unseren Freunden wetteifern unsere politischen Gegner, für die Größe des Vaterlandes einzustehen. Der Abschied von Weib und Kind, von Haus und Hof ist nicht leicht; denn zweifelshaft bleibt, ob man sie bald, ob man sie jemals wiedersehen wird. Aber der große Grundbesitzer wie der kleinste Mann eilen gleich freudig zur Fahne. Wach ist wieder geworden der alte preußische Geist, welcher den Tod auf dem Schlachtfeld für den schönsten Tod ansieht und das ehrenvolle Andenken für das beste Erbteil der Kinder."
Man befindet sich durch diese Zeitungsnotiz
schon mitten im Kriegsgeschehen, ohne das dieser schon ausgebrochen ist.
Eine Zeitungsnotiz aus Glatz, welche sich mit den Prozessionen in Österreich
befaßt, berichtete am 08.05.1866:
"Berichtigung Die Nachricht mehrer Blätter, daß die stets um diese Zeit herkommenden Prozessionen aus Österreich dieses Jahr aus Wartha und Albendorf ausblieben, ist falsch. Die erste Prozession aus Ungarn und der Walachei traf am 03. dieses Monats in Wartha ein, die sogenannten Weißmänteler. Hierauf folgten böhmische Prozessionen, die stärkste gestern aus Politz. Auch morgen sind Prozessionen angekündigt."
Die frommen Katholiken sind trotz Kriegstreiberei aus Böhmen und Ungarn zu ihren Wallfahrten in die Grafschaft Glatz aufgebrochen.
In jener Zeit, wurden in den Tageszeitungen immer wieder Gedichte veröffentlicht, in der Ausgabe vom 10.05.1866 erschien folgendes:
"Preußen.
Vertau auf Gott, vertraut auf euch,
Vertraut dem König, unserm Herrn.
Das Andere sei uns alles gleich,
und wenn´s der Feinde noch mehr wär´n,
die unseres teures Vaterland
in Knechtschaft wollen bringen.
Die Fahne hoch, das Schwert zur Hand!
Wer will uns den Bezwingen?
Kein Feind! und da Gott mit uns ist,
des Rechtes teure Wache,
so siegen wir, ob Blut auch fließt;
Gerecht ist unsere Sache."
Der König wird dieser Kriegsstimmung gerecht, als er die Mobilmachung anordnete. In der "Neuen Preußischen Zeitung", vom 12.05.1866 wird auf der ersten Seite als wichtigste Mitteilung berichtet:
"Die ganze Armee ist mobil gemacht auf Befehl ihres Kriegsherrn und zieht aus, die Grenzen des Vaterlandes zu decken. Alle Welt auch die es bestreiten weiß es, daß dieses militärischen Maßnahmen lediglich Maßregeln der Verteidigung sind. Schritt für Schritt nur ist Preußen allmählich seinen Gegnern, denen sich neuerlichst auch Hannover noch angeschlossen, nachgefolgt mit den Rüstungen."
Dieses kriegerische Bild, das die preußischen aber auch die schlesischen Städte zu dieser Zeit boten, wurde in den Zeitungen berichtet:
"Görlitz, 07.05.1866. Heute vormittags 10 Uhr traten die im Batallionsbezirk des 1. Batallion 1. Niederschlesisches Landwehrregiment Nr. 6 einberufen Infanterie-Reserven und Landwehrmänner zusammen. Es hatten sich auf der Elisabethstr. gegen 2000 Mann eingefunden. Da hier jedoch der Andrang des Publikums zu groß war, als das sich eine Ordnung hätte ermöglichen lassen, so wurden die Mannschaften nach dem kleinen Exerzierplatz berufen. Da jedoch auch hier noch ein bedeutender Andrang teils von Angehörigen des Militärs, teils der Neugierigen stattfand, so ergriff man die Maßregel, ein Detachement Jäger zur Säuberung des Platzes zu requirieren. Schon das Erscheinen des Detachements erregte bei einem großen Teil der Einberufenen Unzufriedenheit, die sich noch steigerte, als ein Jäger aus Versehen den Sohn eines Wehrmannes, der seinen Vater auf dem Platz begleitet hatte, etwas unsanft zur Seite schob. Sogleich nahm eine große Anzahl der Anwesenden für den Knaben und gegen den Jäger Partei, und die teilweise begonnene Aufstellung ging im Augenblick in einem Tumult unter. Als das Jäger-Detachement den Platz verlassen hatte, kehrte die Ruhe wieder ein. Da jedoch die große Anzahl und die aufgeregte Stimmung das Verlesen der Mannschaften erschwerten, so wurden die Landwehrmannschaften bis um 1 Uhr beurlaubt. Inzwischen war jedoch auf die Meldung des Vorfall des Jäger-Batallion alarmiert worden und rückte eben, als die Landwehrmannschaften auseinander gingen, compagnieweise von drei verschiedenen Seiten auf den Platz. Dies war das Signal zu neuen Tumult, der sich erst legte, als die anwesenden Landwehr- und Linien-Infanterie-Offiziere die Reservisten aus dem wirren Haufen truppweise formierten und nach dem Neumarkt dirigierten, um das Verlassen fortzusetzen.
Gänzlich wurde die Ruhe wieder hergestellt, nachdem die Jäger ihre Hirschfänger von den Büschen abgenommen und Oberstleutnant von Weiler eine begütigende Ansprache an die Tumultanten gehalten hatte. Gegen 1 Uhr zogen die letzten 2 Kompagnien des Jäger-Batallions (die ersten 2 Compagnien waren bald nach dem Eintreffen entlassen worden) ab, wonach das Ordnen der Mannschaften ohne weiteren Anstand vor sich ging. Von der Renitenz war selbst während des größten Tumultes nicht die Rede, die Infanterie-Offiziere fanden stets überall Gehorsam. Die Aufregung war wie gesagt lediglich dadurch hervorgerufen, daß die Mannschaften glaubten, das Jäger-Detachement sei ihretwegen, nicht wegen des Publikum wegen, da.
Weiter wird aus Görlitz berichtet: "Heute Abend kam es hier zu einen großen Exzeß, der wohl im Zusammenhang mit dem unruhigen Vorgang am Morgen stand. Vor einer Weinstube, in der das Offizierkorp versammelt war, sammelten sich Menschenmassen und demolierten mit Steinwürfen die Fenster. Später wurde die Straße durch Militär gesäubert und die Tumultanten zur Ruhe gebracht."
Die gereizte Stimmung wurde ausgelöst durch das Herausreißen aus dem normalen Leben. Die Trennung von Frau, Kindern, eignen Hof und Arbeitsplatz für einen bevorstehenden Krieg machte, den meisten Einberufenen schwer zu schaffen.
Das Bild der Stadt Prag, wird in einer Zeitungsmeldung vom 13.05.1866 wieder gespiegelt:
"Prag, 08.05.1866. Am Vorabend des Krieges. Prag hat jetzt ein ungleich kriegerisches Aussehen als vor drei Wochen, da ich zuletzt hier weilte. Alle Straßen wimmeln von Soldaten, eingezogenen Urlaubern, Remonten, Militärwagen usw. Es wird schonungslos eingezogen; selbst Alte, verheiratete Leute, die nach zehnjähriger Dienstzeit schon am 01. Mai ihre Entlassung erhalten, zufällig aber ihren gesetzmäßigen Abschied noch nicht gefördert hatten, hat man ohne weiteres zwangsweise wieder in Uniform gesteckt.
Hier stehen jetzt ein Artillerie-Regiment und 12000 Mann Infanterie, völlig zum Ausmarsch gegen Italien oder gegen die Preußische Grenze bereit. Die Stimmung ist unbeschreiblich; fanatische Wut gegen Preußen und wieder die größte finanzielle Niedergeschlagenheit, die das Ärgste befürchten läßt, wechseln miteinander ab. An neuen Befestigungsanlagen um die Stadt ist schon seit Wochen eifrigst gearbeitet worden. Alles ohne Ausnahme wünscht sich eifrig den Krieg her, damit diese Spannung endlich aufhöre. An den Straßenecken sind Plakate voller Haß gegen Preußen, die auffordern, gegen die Berliner loszuschlagen und vorerst keine preußischen Waren zu beziehen, in böhmischer Sprache angeschlagen. Die Tschechen wollen Freikorps bilden. Die Zeitungen verlangen, Preußen muß kein zweites Ölmütz, sondern ein zweites Jena bereitet werden. Es werden auch fortwährend neue Truppen gegen die sächische Grenze gesandt. Ungefähr 30000 Mann sind jetzt der Art konvertiert, das sich in der nächsten Stunde nach Sachsen befördert werden können. Der vielen Militärzüge wegen stockt der Verkehr auf der Eisenbahn schon beträchtlich; Güterzüge sollen gänzlich schon in den nächsten Tagen ganz aufhören. Es heißt auch, daß die Offiziere aller Namen des Königs und die Prinzen von Preußen führenden Regimenter den Kaiser Franz Joseph haben bitten wollen, daß die Regimenter Namen ablegen dürfen, doch sei ihnen eine derartige Demonstration ernstlich untersagt worden."
Am 13.05.1866 wurde in der Zeitung berichtet, das der Grenzverkehr an der schlesisch-böhmischen Grenze eingeschränkt wurde:
"Tannhausen, an der böhmischen Grenze, 12.05.1866. Obwohl unsere Nachbarn aus den böhmischen Grenzbezirken bis jetzt ungefährdet unsere preußischen Orte passiert haben, so beobachteten die Bewohner Böhmens dennoch gegen die dort kommenden Preußen nicht dieselbe Humanität, was folgender Fall zu Genüge beweisen dürfte:
Ein Schuhmacher von hier arbeitet seit langen für eine in Braunau in Böhmen wohnende Frau (Preußin). Die letztere schuldete dem Handwerker noch einen Betrag für geleistete Schuhmacherarbeiten. Vor einigen Tagen beabsichtigte der Meister Schuhmacher, persönlich den Rest bei der Frau einzuziehen. Er begab sich daher zu Fuß nach Braunau, nahm jedoch zwei seiner Gesellen mit, da er fürchtete, die Grenze allein zu überschreiten.
Als diese drei Personen bei der betreffenden Frau eingetreten waren, versammelte sich vor dem Hause eine große Menschenmenge, welche durch Fluchen und Schimpfen ihren Preußenhaß Luft machte und von der armen Frau, wegen ihrer Abstammung aus Preußen, schon ohne hin zu leiden hatte, die Preußen-Hure heraus verlangte. Der Schuhmacher verkroch sich vor Angst unter ein Bett, wo er mehrere Stunden verblieb, wogegen sich die Gesellen vor die Tür begaben, um der Menge zu versichern, das sie in friedlichsten Absichten gekommen seien.
Alle ihre beruhigenden Reden waren vergeblich, da diese Worte unter dem Geschrei verhallten. Als die Gesellen endlich durch die Reden der österreichischen Spitzbuben usw. erbittert und lauter worden, legte sich die Polizei ins Mittel, aber nicht, um den Fremden Schutz angedeihen zu lassen, sondern um sie zu verhaften und vierzehn Stunden ins Gewahrsam zu halten."
Eine andere Zeitungsnotiz vom 15.05.1866, gibt ein weiteres Bild der Kriegerischen Stimmung in Österreich wieder:
"Aus Österreich, 14.05.1866. Das die allgemeine Stimmung in Österreich gegen Preußen von Tag zu Tag erbitterter wird, ist eine Wahrnehmung, der sich der österreichisch Reisende nicht verschließen kann. Wie bekannt, schürt die dortige Presse nach Kräften das Feuer, und ihr wird ein Teil der Früchte des drohenden Krieges mit Recht zur Last gelegt werden. Indessen sind auch manche Erscheinungen, die als Äußerungen des Patriotismus gepriesen werden, auf ein richtiges Maß zurückzuführen, und dahin gehört auch der allerdings zahlreiche Eintritt von Freiwilligen der Armee. Es ist wohl nur bei dem geringsten Teile der Kriegslust das Motiv des Eintritts, die meisten sind durch die hoch gestiegene Not gezwungen, bei den Fahnen ihr Brot zu suchen.
Bei Graz soll eine Reserve-Armee gebildet werden mit der Bestimmung, je nach der politischen Lage und nach taktischem Bedürfnis gegen Preußen oder Italien verwendet zu werden. Die Militär-Grenze gegen die Türkei wird von Truppen fast entblößt, in einem Grade, wie es in früheren Kriegen nicht geschehen ist, ein deutliches Zeichen, daß man einen großen Krieg in Absicht hat. Nunmehr hat auch der Transport sämtlicher in und um Wien zusammengezogenen Truppen nach Norden begonnen."