Quelle: Heimatblatt "Aus Rübezahls Heimat" 3. Jahrgang, 11. Folge, November 1950.
Auf der Jahrestagung der Landsmannschaft
der Riesengebirgler aus dem Bezirk Trautenau (Sudetenland), die am 17.09.1950
in Dillenburg stattfand, wurde ein Vorschlag unterbreitet, die Besitzverhältnisse
in den ehemaligen Heimatgemeinden (Haus- und Grundbesitz) durch möglichst
genaue Aufzeichnungen festzuhalten und in einem entsprechenden Archiv zusammenzufassen,
da man damit rechnen müsse, daß bei einer möglichen Rückkehr
in die Heimat keinerlei Unterlagen, wie Grundbücher usw., mehr vorhanden
sind.
Der Vorsitzende der Landsmannschaft, Lehrer Erwin Herrmann (Dillenburg), wies
vor den rund 400 Riesengebirglern aus dem Dillkreis und dem Kreis Biedenkopf
darauf hin, daß die Landsmannschaft politisch völlig neutral sei
und auch keinerlei Interessenvertretung gegenüber der Regierung darstellen
wolle. Ihr Hauptziel sei die Förderung kultureller Belange und die Erhaltung
heimatlichen Volks- und Brauchtums. Die Organisation, die bereits 1200 Mitglieder
im ganzen Bundesgebiet hat und über eine Adressenkartei von mehr als 3000
Landsleuten verfüge, wolle vor allem eine Brücke zur alten Heimat
bilden. Da den Landsmannschaften beim kommenden Lastenausgleich wahrscheinlich
die Aufgabe übertragen werde, die eingereichten Anträge zu prüfen,
forderte Herrmann die ehemaligen Bürgermeister und Kommunalbeamten aus
der alten Heimat auf, bereits jetzt ihre Adressen anzugeben, da sie am besten
über die Vermögens- und Besitzverhältnisse der einzelnen Heimatvertriebenen
unterrichtet seien.
In einem Bericht über die Lage der Heimatvertriebenen hob Dr. Nemetschek
hervor, daß nunmehr auch das Ausland sich für ihr Schicksal zu interessieren
beginne, was insbesondere der unermüdlichen Tätigkeit von Männern
wie Father Reichenberger u. a. zu verdanken sei. So habe der Europa-Rat in Straßburg
anerkannt, daß das Vertriebenenproblem nur mit internationaler Hilfe gelöst
werden könne. Auch das Abkommen zwischen der sudetendeutschen Volksgruppenvertretung
und der tschechischen Exilgruppe General Prchalas stelle trotz verschiedener
Unklarheiten und trotz eines gewissen Mißtrauens, das die Sudetendeutschen
an der Aufrichtigkeit tschechischer Versprechen zweifeln lasse, einen Schritt
vorwärts dar. Denn mit diesem Abkommen sei erstmals eine Bresche in die
durch Benesch-Anhänger, insbesondere in England und den USA, verbreitete
Auffassung geschlagen worden, daß das tschechische Volk nicht neben dem
deutschen leben könne und wolle. Im übrigen dürfe gerade die
Jugend nie den Glauben an eine Heimkehr verlieren, wie man es häufig antreffe;
denn die politische Entwicklung lasse eine Heimkehr durchaus nicht so utopisch
erscheinen, wie man es oft annehme.
Rund 2000 Sudetendeutsche würden heute noch unter unmenschlichen Bedingungen
zur Arbeit in den Urangruben von Joachimsthal gezwungen, erklärte ein erst
vor kurzem, aus einem tschechischen Gefängnis entlassener Sudetendeutscher,
der nach Deutschland ausgewiesen wurde, während seine Familie noch in der
Tschechoslowakei zurückgehalten wird.
An die offizielle Tagung, die mit dem Riesengebirgslied eröffnet und beendet
wurde, schloß sich ein Beisammensein an.
Quelle: Riesengebirgs-Heimatbuch mit Kalender für das Jahr 1951 Verlag "Aus Rübezahls Heimat"
von Erwin Herrmann
Uns Sudetendeutschen ist das Jahr
1945 ein Jahr der großen Schicksalswende. Nach einem verlorenen Kriege
und nach dem Zusammenbruch unseres Vaterlandes mußten wir unsere angestammte
Heimat verlassen, wurden vertrieben und verloren Hab und Gut. Getrennt von den
Angehörigen und hilflos, wurden wir in das von den Alliierten besetzte
Deutschland aufgeteilt und verloren jedwede Bindung mit unseren Landsleuten.
Es dauerte lange, bis sich die seelischen Beklemmungen lösten, aber der
starke Lebenswille und die angeborene Heimatliebe der Riesengebirgler zeigten
bald das Verlangen, wieder zueinander zu finden, die Verbindung wieder herzustellen,
um sich an der Gemeinschaft zu stärken und sich die Kraft zu holen, die
notwendig war, das Leben in der Fremde alleinstehend überhaupt zu meistern.
Auf Anregung des Landsmannes Dipl.-Ing. Birke fand in Frickenhausen ein Zusammentreffen
statt, an dem gegen 100 Landsleute zugegen waren, welche mit dem ersten Transport
in die Westzone gekommen waren. Das erste Treffen mit ungefähr 350 teilnehmenden
Landsleuten fand am 15.08.1946 in Ochsenfurt statt und nahm einen sehr schönen
Verlauf. Noch im Spätherbst desselben Jahres (27.10.1946) wurde ein Treffen
der Trautenauer vom Landsmann Lehrer Rudolf Bauer in Lohr veranstaltet, an dem
über 400 Landsleute teilnahmen und an dem Altbürgermeister, Herr Alfons
Kolbe, Trautenau, die Begrüßung und eine Ansprache an die Teilnehmer
hielt.
Am 13.04.1947 fand über Einladung der Landsleute Max Fiedler und Franz
Kodim ein größeres Treffen in Holzkirchen mit etwa 700 Landsleuten
statt.
Besonders hervorgehoben muß werden, daß bei diesem Treffen in Holzkirchen
die Trautenauer Landsmannschaft die erste war, die den Mut aufbrachte, eine
Resolution einstimmig zu fassen und mit Forderungen an Regierung, politische
Parteien und Militärregierung heranzutreten. Die Organisatoren dieses Treffens
wurden daraufhin zum Staatskommissar für das Flüchtlingswesen in München
zu einer Aussprache eingeladen. Initiator dieser Resolution war der hochw. Herr
Prälat Richard Popp, der sich wie immer so auch hier besonders intensiv
einsetzte und der schon damals, als eine geordnete Geschäftsführung
der Landsmannschaft noch nicht bestand, den heimatvertriebenen Landsleuten in
allen Belangen unterstützend und helfend zur Seite stand. Das gleiche gilt
auch für die hochw. Herren Pfarrer Schubert, Kubek und Houstek, die schon
damals ihre ganze Person in den Dienst der landsmannschaftlichen Betreuung der
Landsleute stellten.
Am 05.10.1947 folgte dann das Treffen in Bayreuth mit 1 300 Landsleuten, einberufen
von Herrn Altbürgermeister Dipl.-Ing. Ferdinand Liebich, Trautenau.
Das bisher größte Treffen fand in Eßlingen am 12. und 13.06.1948
mit mehr als 4 000 Landsleuten statt, auf welchem der Hauptausschuß, der
sich bis dahin nur provisorisch konstituiert hatte, gewählt wurde. Die
Währungsreform allerdings machte der aufsteigenden Kurve der Teilnehmerzahlen
ein Ende. Trotzdem beteiligten sich am 6. Heimattreffen am 06. und 07.08.1949
in Dillenburg immerhin noch über 700 Landsleute. Hier wurde auf Grund der
Hauptausschußsitzung in Ochsenfurt am 03.07.1949 nun endgültig einstimmig
der Beschluß gefaßt, alle Landsleute mitgliedsmäßig in
die Landsmannschaft der Riesengebirgler des ehemaligen Landkreises Trautenau
zusammenzuschließen.
Durch diese Mitgliedschaft soll jeder Riesengebirgler aus dem Kreise Trautenau,
selbst der in dem entlegensten Dörfchen, verbunden sein mit unserer großen
Gemeinschaft und mit uns in enger Fühlungnahme stehen. Um diese Zusammengehörigkeit
zu kennzeichnen, wurde auch ein eigenes Landsmannschaftsabzeichen geschaffen,
damit sich die Landsleute jederzeit und überall erkennen können.
Die Vereinstätigkeit wurde unter Zugrundelegung der Genehmigungsurkunde
vom 15.06.1948 der Landesmilitärregierung, erteilt an die Landsmannschaft
des Kreises Dillenburg, aufgenommen.
Mit einem Aufruf des Hauptausschusses vom 01.09.1949 wurde an die Landsleute
herangetreten, sich, zusammenzuschließen und mit großer Freude fand
dieser Aufruf bei allen Landsleuten Anklang. Aus allen Gemeinden von Stadt und
Land des Kreises Trautenau meldeten sich die Mitglieder an, opferwillig ihr
Scherflein beizutragen, um vereint zu sein in der Landsmannschaft. Jung und
alt bekannte sich zur Heimat.
Zweck der Vereinigung ist die Pflege und Erhaltung heimatlicher Gebräuche,
Tänze, Mundart und Lieder der Riesengebirgler, Sammlung heimatlicher Literatur,
Unterstützung in Not befindlicher Heimatgenossen und alljährlich ein
großes Treffen aller Landsleute.
All diese Arbeiten standen unter Leitung des Altbürgermeisters, Herrn Alfons
Kolbe, Trautenau, jetzt Eßlingen, dem der Hauptausschuß mit sehr
rührigen und heimatbewußten Mitarbeitern zur Seite steht. Es muß
betont werden, daß Herr Dr. Dienelt in Röttingen bereits 1946 eine
wesentliche Vorarbeit zur Gründung der Landsmannschaft durch, die Sammlung
und Herausgabe eines umfangreichen Adressenmaterials von Trautenauer Landsleuten
geleistet hat.
In der Hauptausschußsitzung am 26.03.1950 in Dillenburg wurde gemäß den Satzungen
der Landsmannschaft als Selbsthilfe eine Art Sterbekasse in Form einer Kranzablösespende
errichtet. Die Landsmannschaft sah sich gezwungen, die Not ihrer Landsleute
kennend, zu dieser Art der Selbsthilfe zu greifen, um den Hinterbliebenen die
Möglichkeit zu geben, ihre verstorbenen Angehörigen wenigstens einigermaßen
pietätvoll beerdigen zu können. Daß es im Sinne der Landsleute war, beweisen
die zahlreichen Anmeldungen zu dieser Kranzablöse, die mit dem 01. Oktober 1950
in Wirksamkeit trat.
Auch an den am 07. und 08.07.1950 in Altötting stattgefundenen Feierlichkeiten anläßlich des Jubiläen unserer Heimatpriester, Hochw. Herrn Prälat Popp, Ehrenkonsistorialrat Ezer, Pfarrer Kubek und Pfarrer Reinhold Barth war die Landsmannschaft vertreten. An allen diesen, Treffen hat der Vorsitzende der Landsmannschaft, Herr Altbürgermeister Alfons Kolbe, teilgenommen und immer und überall Verständnis dafür gefunden, daß unsere Landsmannschaft eine unpolitische und überkonfessionelle Vereinigung sein und bleiben müsse und daß keine Politik hineingetragen werden dürfe. Nicht unerwähnt sei, daß der Reingewinn des Eßlinger Treffens von 3 500,00 RM zur Unterstützung von notleidenden Landsleuten verwendet wurde.
Daß die Landsmannschaft ihre Daseinsberechtigung
hat, beweisen die Hunderte von Schreiben, die im Laufe des Jahres eingehen,
und woraus die seelischen und materiellen Nöte zu ersehen sind. Es muß auch
erwähnt werden, daß viele Familienmitglieder durch die Landsmannschaft zusammengeführt
werden konnten. Aber das letzte Ziel, all unsere Landsleute zu erfassen, ist
noch nicht erreicht. Wir hoffen, daß auch diejenigen, die noch abseits stehen,
sich unserer Landsmannschaft anschließen. Mag unser Weg noch so hart und weit
sein bis zum Ziel, gemeinsam werden wir ihn schaffen, so lange uns allen die
Kraft und die Heimatliebe erhalten bleibt.
Der von Landsmann Otto Seemann, Oberhausen, herausgegebene Riesengebirgsheimatbrief
"Aus Rübezahls Heimat" wurde vom 01.12.1949 mit in die Landsmannschaft
eingegliedert und bereitet allen Landsleuten recht große Freude.
Somit hat sich unsere Landsmannschaft also eine rein kulturelle Aufgabe gestellt
innerhalb ihres Kreises, und es muß hier ausdrücklich betont werden, daß sie
weder rechtliche noch wirtschaftliche Interessen gegenüber der Regierung vertritt
und mit den großen politischen Strömungen der Heimatvertriebenen nicht zu vergleichen
ist, sondern lediglich die angeführten Ziele verfolgt.
Zum Schlüsse übermittelt der Vorsitzende der Landsmannschaft, Herr Altbürgermeister
Kolbe, allen Mitarbeitern im Hauptausschuß, im geschäftsführenden Ausschuß,
sowie allen Vertrauensleuten und Landsleuten den herzlichsten Dank für ihre
bisherige uneigennützige Arbeit und spricht an sie die Bitte aus, auch weiterhin
am Aufbau und an der Erfassung unserer Landsleute mitzuarbeiten.
Dillenburg, den 10.10.1950.