Mozart und Karl Kliebert  verbinden Prag und Trautenau mit Würzburg

von Willi Dürrnagel, Stadtrat in Würzburg

Unter dem Thema "Mozart & Prag" begann vor wenigen Tagen das Mozartfest 2007 mit einem Konzert des Prager Kammerorchesters  Die europäische Kulturmetropole Prag steht im Mittelpunkt des diesjährigen Festivals. "Mozart und Prag" bildet dabei den Auftakt für eine neue Themenreihe des Mozartfestes, die Mozarts Musik in den Kontext europäischer Metropolen stellen wird. Neben Werken, die Mozart für und in Prag geschrieben hat, erklingen auch Werke seiner böhmischen Zeitgenossen und auch der tschechischen Romantik von Antonin Dvorak und Bedrich Smetana.

Würzburg hatte auch in früherer Zeit besonders durch Hofrat Dr. Karl Kliebert, der über drei Jahrzehnte der damaligen Königlichen Musikschule, der ältesten musikalischen Anstalt Deutschlands, vorstand, enge Beziehung  zu Klieberts Geburtsort Prag und zu unserer jetzigen Patenstadt (und möglicherweise ab Herbst 2007 Partnerstadt) Trautenau im Riesengebirge.

Erst vor wenigen Tagen, am 23. Mai 2007, war der 100. Todestag von Karl Kliebert. "Der Tönemeister ist tot", hieß es damals in einer Würzburger Zeitung im Mai 1907.

Im Jahre 1804 von Professor Dr. Fröhlich als akademisches Musikinstitut gegründet, wurde die Königliche Musikschule Würzburg im Jahre 1820 Staatsanstalt und 1875 durch Direktor Dr. Karl Kliebert neu eingerichtet. Unter seiner Leitung als Direktor gewann das bis 1945 im Domkapitelhaus untergebrachte Institut nicht nur in Deutschland sondern auch im Ausland beträchtliches Ansehen. Richard Wagner schickte zwei Sänger nach Würzburg mit der Bemerkung, dass er keine bessere Musikschule kenne.

Karl Kliebert, der auch als Dirigent und Komponist hervorgetreten ist, wurde am 13. Dezember 1849 in Prag im "Haus zu den zwei goldenen Bären" geboren, das sein Großvater mütterlicherseits, der erste Südfruchthändler in Prag Bruno aus Como, gekauft hatte. Großvater Kliebert war Notar und Ehrenbürger von Prag-Flöhau. Seine Ahnen, Sudetendeutsche, stammten ursprünglich aus Sommerach am Main. Mit neun Jahren war er Vollwaise und kam aufs Gymnasium und die Frömtersche Klavierschule. Bald leitete er das Schülerorchester und bat erfolgreich Franz Liszt um die Aufführungserlaubnis für dessen "Rosenwunder". Er war ursprünglich der Juristerei bestimmt gewesen, er erwarb diesen Doktorhut 1874 mit Auszeichnung. Danach wandte er sich endgültig der Musik zu, nachdem er schon in Wien zusammen mit dem viel älteren, 1824 geborenen Anton Bruckner Musikästhetik studiert hatte.

Er ging 1870 nach München. Dort lernte er Richard Wagner und Franz Liszt kennen und befreundete sich mit Hans von Bülow. Diese Freundschaft  trug in späterer Zeit segensvolle Früchte für die hiesige Musikschule, in der der berühmte Hofkapellmeister und Komponist wiederholt unentgeltlich gastierte und auch vor Schülern Beethoven-Sonaten spielte.

1874 ist Kliebert am Stadttheater in Augsburg als Kapellmeister anzutreffen. Eng verbunden war er in dieser Zeit auch weiterhin mit Hans von Bülow, mit Richard Wagner, Franz Liszt und Hermann Levi, dem Uraufführungsdirigenten des Bayreuther "Parsifal" im Jahre 1882.

Am 1. April 1875 kam Kliebert an den Main. Er wurde bei der Neuorganisation des damaligen akademischen Musikinstituts in Würzburg, das nun als musikalische Bildungsstätte der Universität, des Gymnasiums und des Lehrerseminars gedacht war, als Lehrer für Theorie und Chorgesang dahin berufen. Am 1. Juli 1876 übernahm er nach dem Rücktritt von Theodor Kirchner mit erst 27 Jahren die Leitung der Musikschule, die alsbald durch Dekret Ludwigs II. den Zusatz "königlich" erhielt.

Er war nicht nur ein geschätzter Lehrer in Chorgesang, Harmonielehre und Partiturspiel, auch als Dirigent war er bekannt. Beim Dirigieren trug er weiße Glacéhandschuhe.  Obwohl Protestant, durfte er in der Michaelskirche, als Kirche des Priesterseminars, erstmals die Matthäuspassion mit 500 Mitwirkenden aufführen.

Karl Kliebert hatte wenig Zeit für eigene Kompositionen. Komponiert wurden zehn Opera. Opus 2 sind sechs Lieder für gemischten Chor a capella. Er widmete sie dem Musikverein "Harmonie" in Trautenau. Kliebert hatte sich in Trautenau auf das Rigorosum vorbereitet. Er war auch Ehrenmitglied des Musikvereins Harmonie.

In sein segensreiches Wirken für das Musikleben unserer Stadt fielen nicht nur die Renaissance der Bachpflege und das Aufleben von Kirchenkonzerten, sondern auch Gastspiele bekannter Größen der Musik. So dirigierte hier 1894 u.a. Richard Strauss seine Tondichtung "Tod und Verklärung" und "Wanderers Sturmlied". Zur Hauptprobe kam auch Cosima Wagner mit Tochter Eva.

Was Karl Kliebert für die Stadt Würzburg bedeutete, hat Hermann Zilcher, der Begründer des Mozartfestes, gelegentlich eines Vortrags in folgende Worte gefasst: "Damals wurde nicht nur der Ruf der Schule, sondern der des gesamten Musiklebens in Würzburg weithin  und über die Grenzen Deutschlands getragen. Die Konzerte Klieberts brachten in mustergültigen Aufführungen Werke der Klassik, der Neuzeit, und mancher berühmte Dirigent und Komponist erschien in Würzburg, im Wettstreit mit den bekanntesten Instrumentalisten und Gesangsgrößen das Musikleben Würzburgs zu bereichern."

Kurz vor Ihrem Tode im Alter von 104 Jahren hat die Tochter Karl Klieberts Lotte in einem Gespräch mit Willi Dürrnagel Briefe bzw. einen Besuch des großen tschechischen Komponisten Friedrich Smetana in Würzburg erwähnt. Nachforschungen haben ergeben, dass wirklich zwei Briefe Smetanas im Nachlass von Karl Kliebert, der im Würzburger Stadtarchiv aufbewahrt wird, vorhanden sind.

Fast nicht bekannt ist, dass sich Smetana auch persönlich in Würzburg aufhielt.  Smetana wurde auf einem Ohr taub, in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1874 wurde auch das andere Ohr taub. Er konnte nun nicht mehr dirigieren, nicht mehr Klavier spielen, nicht einmal mehr Klavierstunden geben. Aber er konnte noch komponieren. In der Dunkelheit der Taubheit schuf er sein orchestrales Meisterwerk "Mein Vaterland". Die Uraufführungen der ersten beiden Teile am 14. März und am 4. April 1875 stießen auf Begeisterung. Ein einziger der Besucher hörte keinen Ton: der Komponist.

Man riet Smetana, sich an einen Ohrenspezialisten in Würzburg zu wenden. Er war aber viel zu arm, um auch nur die Reise zu finanzieren. Freunde halfen ihm.  Böhmische Adelige mit zwei Wohltätigkeitskonzerten, die alte schwedische Freundin Fröjda Benecke-Rubenson, die er förmlich anbetteln musste, mit 1244 Gulden. Smetana konnte im Frühjahr 1875 nach Würzburg reisen, aber dort vermochte Professor Anton Friedrich von  Tröltsch so wenig zu helfen, wie ein paar Wochen später der Spezialist Dr. Adam Politzer, den Smetana in Wien konsultierte. Er war und blieb taub.



Karl Klieber
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