Quelle: "Aus Rübezahls Heimat"
Aus dem Trautenauer Stadtarchiv / Mitgeteilt von JUDr. Wilh. D i e n e l t
Auf höhere Weisung hatte der
Stadtrat von Trautenau im Jahre 1707 und die folgenden Jahre der ganzen Gemeinde
mehrere Punkte der Sitten-Artikel öffentlich in Erinnerung zu bringen.
Diese bezogen sich hauptsächlich auf einen gottessüchtigen ehrbaren
Lebenswandel. Die ehrsame Bürgerschaft wurde erinnert, daß nicht
allein ein jeder Hauswirt selbst mit gutem Beispiele vorangehen solle, sondern
auch sein Weib, Kinder und Gesinde zu Gottesfurcht, heiligen Tugenden, zum Gebet,
zu ehrbarem Handel und Wandel anzuhalten habe. An den heiligen Feiertagen und
Sonntagen ist das Wort Gottes zu hören, sich aller Handarbeit zu enthalten,
dem Gottesdienst und der Predigt beizuwohnen, kein Kaufmannsladen, kein Laden
eines Handelsmannes, Bäckers, Fleischhackers und andere Krämereien
dürfen offengehalten werden, kein Bier, Wein, Branntwein darf, solange
der Gottesdienst dauert, verkauft werden, bei zwei Gulden Strafgeld oder Gefängnis.
Vollsaufereien, Zechen und Schlemmen, Würfel- und andere hohe Geldspiele
werden verboten, weil dadurch nur Zank und Hader erweckt und der Geldbeutel
ausgeleert wird, was leider Gottes die Erfahrung in Trautenau schon des öfteren
ans Tageslicht geleget hat, so daß mancher Bürger seine Mittel, ja
sogar das Haus um den Schellenkönig verkaufet und zum Bettelstab greifen
mußte. Aus diesem Grunde hat die hochlöbliche allerhöchst autorisierte
Kommission (Sittenkommission) angeordnet, daß um zehn Uhr das Friedensglöckel
geläutet werden soll, wonach ein jeder, wer er auch immer sei, sich nach
dessen Abläutung in seine Behausung zu verfügen hat.
Polizei und Ordnung erhalten eine Stadt, und wo diese nicht beobachtet wird,
eine, solche Stadt ist nicht einen Heller wert. Ja, es entzieht Gott der Allmächtige
einer solchen Stadt seine göttliche Gnade, sie wird "verstimpfelt"
und gleichet einer Hand ohne Finger.
Damit aber die allgemeine Wohlfahrt einer jeden Gemeinde fortgesetzt werden
kann, ist unter anderem auch Einträchtigkeit der gesammelten Bürgerschaft erforderlich,
daß sie nämlich einander lieben und ehren sollen, keiner den anderen bevorteile
oder mit Unrecht begegne; daher diejenigen Herren Bürger, die mit Gewicht, Maß
und Elle umgehen erinnert werden, sich von dessen Verfälschungen zu hüten. Sollte
der eine oder andere sich dieser Untat bedienen, so wird die in Rechten ausgemessene
und geschärfte Strafe an demselben unnachläßlich geahndet werden, inmaßen derlei
Sachen nicht allein wider die kaiserlichen Rechte, sondern auch wider die zehn
Gebote Gottes laufen. Es darf sich keiner einbilden, daß auf derlei wucherlichen
und schändlichen Gewinn der dritte Erbe einen Nutzen schöpfen wird.
Die Räubereien und Diebstähle sind sowohl im geistlichen als weltlichen Rechte
bei Leib- und Lebensstrafe hart und scharf verboten ... .
Keine Frucht auf dem Felde, kein Gewächs in, den Gärten, kein Gras in der Wüste,
kein Holz im Walde, kein Zaun um die Felder, kein Flachs auf der Röste, ja sogar
in der Ringmauer und in den verschlossenen Häusern ist sicher. Es hat das wirklich
das Ansehen, als wenn keine Obrigkeit auf der Welt, kein Gott im Himmel wäre.
Es wird deshalb ernst gemessen anbefohlen, sich von derlei Raubereien zu hüten.
Strafe: Bürger, die sich derlei zuschulden kommen lassen, werden in der bürgerlichen
Matrik gelöscht, Handwerker vom Handwerk verstoßen, von der Stadt und dessen
Territorium ausgewiesen und überdies noch mit anderen empfindlichen Strafen
belegt.
Die Hehler verdienen nichts besseres als die Stehler, sie gehören nach der Lehre
des hl. Augustin in ein Gebäude des Unkrautes.
Ferner bleibt es bei der Strafe von 10 Gulden, wenn sich einer unterfangen sollte,
sowohl inner- als auch außerhalb der Stadt den Flachs in dem Hause zu dörren
und hierauf umbrechen zu lassen. Es werden alle und jeder in die dazu gewidmeten
Brechhäuser verwiesen.
Binder und Tischler dürfen ihre Späne nicht in die Kuchel, sondern an einen
besonderen Ort, wohin mit keinem Feuer oder Licht gegangen wird, legen (Strafe
vier Gulden). Zu dem kommt, daß kein Bürger zulassen soll, die Schleißen auf
die Plattensteine zu legen. Den Dienstmenschern ist fleißig nachzusehen und
ihnen anzubefehlen, daß sie über Nacht nicht Dörrholz in die Öfen legten, noch
weniger die Schleißen in die Rauchlöcher stecken. Das Strohschneiden bei Licht
ist bei Strafe von fünf Gulden verboten.
Es haben leider Gottes manche Städte, Marktflecken und Dörfer erfahren, wie
oft und vielmal Brände entstanden dadurch, daß Dienstboten die aus den Öfen
genommene Asche an solche Orte schütteten, wo die Fünkchen wieder glommen und
eine Feuersbrunst verursachten. Auch durch Tabakpfeifen oder Tabakrauchen sind
Schlösser und Gebäude in Asche gelegt worden. Auch in dieser Beziehung werden
Strafverfügungen getroffen und dem allhiesigen Stadtrichter wird aufgetragen,
daß er dem Scharfrichter den Befehl erteile, den auf der Gasse mit angezündetem
Tabak herumvagierenden Bauern die Tabakpfeife aus dem Munde herauszunehmen.
Ein weiterer Punkt richtet sich gegen die Nachtbummler, Nachtraben und nachttumultische
Eulen, die mehr die Finsternis als das Licht lieben und gegen die Wirtsleute,
welche die Spielleute bis zum hellen Tageslicht anhalten. Was die Reinigung
und Säuberung der Stadt betrifft, wird gesagt: "Die Genueser Herren Vorsteher
haben das Gesetz der ehrsamen Bürgerschaft erteilet, daß ein jeder vor seiner
Türe säubern und kehren soll lassen, mithin würde die ganze Stadt rein und geputzt
sein. Dieses Gesetz wird gleichfalls jedermänniglich erinnert, womit dieselbe
fleißig nachgelebet werde, wodurch der Stadt das Lob der Sauberkeit nicht entgehen
wird."
Ein weiterer Punkt richtet sich gegen die sogenannten "Wildstöberer mit
ihren höllischen Jagdhunden", dann gegen die kostbaren Gevatteressen u.
a. m. In bezug auf die Schule, beziehungsweise Erziehung heißt es: Der König
Solon hatte vor Zeiten ein Gesetz gegeben kraft dessen ein Kind nicht verpflichtet
war, seinen Vater zu ernähren, wenn dieser ihm nichts hatte lernen lassen. Daran
seien aber auch viel die Schulmeister schuld, welche die Kinder im Unterrichte
so schändlich vernachlässigt haben. Alexander, der große Weltmonarch, hat´s
täglich den Göttern gedanket, daß er Aristoteles zum Schulmeister gehabt, das
gleiche hat getan der große Weltweise Plato, daß er den Sokrates eben zum Schulmeister
gehabt hat. Edelgeboren ist nichts, reichgeboren ist nichts, ohne Leibesmängel
geboren ist nichts, aber recht und wohl in zarten Jahren von den Schulmeistern
in guten Sitten, vollkommenem Lesen, Schreiben, der Rechenkunst und anderen
Wissenschaften gründlich instruiert zu sein, das ist, was über alles geht.
Schließlich wird nochmals ermahnt zu Gottesfurcht und allen heiligen Tugenden. Man sehe leider weder Zucht noch Ehrbarkeit selbst in der Kirche. Die wenigsten bleiben in der Kirche, das Wort Gottes anzuhören, sie laufen allenthalben herum, und man habe gesehen, daß sie mit lahmen Gliedern von den Holzstößen nach Hause gekommen seien. Ein jeder Hausvater möge auf seine erwachsenen Töchter und Dienstmenschen ein wachsames Auge haben, besonders zur Nachtzeit, ob sie zu Hause sind oder nicht. Des guten Altvaters Loth Ehefrau ist, da sie sich pur und allein um das natürliche Feuer umgeschaut, außer der Stadt zu einer Salzsäule geworden; wenn derzeit die auslaufenden Weibsbilder alle zu Salzsäulen werden sollten, welche sich um das Venusfeuer umsehen, so würde vielleicht kein Fuhrmann, geschweige ein Ratsverwandter, vor lauter Salzsäulen mehr fahren können.