Ein Lebensbild von Ernst Kröhn Gießdorf
Simon Hüttel ist unbestritten
der bedeutendste Geschichtsschreiber der Stadt Trautenau. Sie hatte in späterer
Zeit, im 19. Jahrhundert, nur noch einen Nachfolger in Julius Lippert, der jedoch
anders bewertet werden muss. Simon Hüttel zeigt sich uns, wo immer es auch
sei, als Chronist und Mensch von Großformat und dem Wissen über sein
Leben und Wirken, ihm, als einem der Größten unserer Riesengebirgsheimat
soll dieser Beitrag gewidmet sein. Simon Hüttel, dessen Hauptwerk seine
"Chronik der Stadt Trautenau" ist, wurde im Jahre 1530 zu Trautenau
geboren.
Von den vielen in der Heimatstadt lebenden Namensvettern kann man wohl auf eine
weitverzweigte in Trautenau sesshafte Familie namens Hüttel es kommen
noch die Formen Hittel, Hyttel und Hutelius vor schließen, wenn
auch direkte Angaben über gegenseitige Blutsverwandtschaft nicht zu Gebote
stehen.
Der aufgeweckte Knabe hatte eine gute Schulausbildung genossen und sich anschließend
dem Malerberuf zugewandt.
Dass er auch in seinem Beruf tüchtig war und durch seiner Hände Fleiß
genug verdiente, geht schon daraus hervor, wenn wir erfahren, dass er schon
mit 22 Jahren, am 10. Januar 1552, sich mit der Tochter des Bürgers Merten
Hrüdel, namens Sabina, verehelichte. "Gott gebe uns seinen Segen!"
ruft er bei dieser Gelegenheit aus. Freilich, ob und wieviel Kinder aus seiner
Ehe hervorgingen, ist uns nicht Überliefert. Er selbst schweigt sich darüber
aus, es sei denn, dass man aus der Stelle des Memoriativ, wo der Chronist ganz
im allgemeinen nur von den "Seinen" spricht, auf eine mehrköpfige
Familie schließen sollte. Vielleicht darf man auch annehmen, dass Frau
Sabina ihren Mann überlebt hat, da dieser sonst doch wohl ihr Todesjahr
verzeichnet hätte. Seinen häuslichen Herd unter eigenem Dache gründet
sich Hüttel ein Jahr nach seiner Verheiratung, indem er am 25. Oktober
1553 in sein ihm gehöriges Haus einzieht, das er eben neu erbaut hatte.
Seinem Berufe, dem Gewerbe der Malerei, widmet er sich mit besonderer Vorliebe,
von der Bedeutung seines Standes, der ihn über die gewöhnlichen Handwerker
erhob, tief durchdrungen. So oft er seinen eigenen Namen niederschreibt, versäumt
er niemals das Prädikat "der Maler" hinzuzusetzen.
Der Zeit und den örtlichen Verhältnissen entsprechend nimmt Simon
Hüttel als Maler eine Mittelstellung zwischen Handwerker und Künstler
ein. Er polychromiert die Häuser seiner Mitbürger, malt mit besonderer
Sorgfalt die Giebelfelder und schreibt nach gutem alten Brauche gereimte Sprüchlein
mit zierlichen Buchstaben ein. Auch der kaiserliche Hauptmann Felix Kunesch
in Jemnik verwendet ihn gelegentlich des Neubaues des Schlosses zu Dekorationsarbeiten
und überträgt ihm insbesonders die malerische Ausschmückung der
Fenster.
In den weiten Räumen der Stadtkirche findet Hüttel das Feld zur Entwicklung
seiner mehr künstlerischen Tätigkeit. Bei der Anfertigung der in der
Kirche aufgestellten Epitaphien, unter denen sein eigenes, bei der Bemalung
der den verschiedenen Zechen gehörigen Chöre, des Predigtstuhles und
dergleichen wurde seine Kunstfertigkeit in Anspruch genommen. Er war es auch,
der im Jahre 1564, als die Nachricht vom Tode des Kaisers Ferdinand eintraf,
den Pfeiler in der Kirche schwarz und weiß mit dem kaiserlichen Wappen
und der Jahreszahl malte.
Im Jahre 1581 übermalte der Einundfünfzigjährige die "alte
Passion", die schon 104 Jahre alt war, und bewältigte innerhalb vier
Wochen diese schwere Arbeit. Der ehrbare Meister Nikel Arndt, seines Zeichens
ein Barbierer, hatte mit Vorwissen des Rathes und des Pfarrers den Künstler
dazu beauftragt, ihm aber nur das spärliche Honorar von fünf Thalern
verabfolgt. Hüttel macht hierzu folgende die Frömmigkeit seines Sinnes
und die eigene Wertschätzung, seiner Arbeitsleistung charakterisierende
Bemerkung: "Der Maler hat das Seine auch dabei getan, mehr als 12 Thaler
dem Leiden Christi zu Lobe, der Kirche zur Zier, einem ehrsamen Rat zu Ehren,
der ganzen Gemeinde zum Wohlgefallen und zu seinem und der Seinigen guten Gedächtnis."
In seinen Mußestunden stellt sich Hüttel in der uneigennützigsten
Weise in den Dienst der Interessen seiner Vaterstadt, deren Schicksale ihn ununterbrochen
auf das Lebhafteste beschäftigen. Bei allen Gefahren, in Feuers- und Wassernot
ist er der Erste auf dem Platze, und ist niemand anderer bei der Hand, so signalisiert
er selbst mit der Sturmglocke den Mitbürgern die allgemeine Gefahr, so
bei der Pulverexplosion im Jahre 1562.
Ohne Hüttel wird in der Stadt kein Fest gefeiert, er hilft bei allen Gelegenheiten
mit Rat und Tat, selbst beim Komödienspiel der Dilletanten, wobei er sich
gerne undankbare Nebenrollen zuteilen lässt.
Im erbitterten Stadt gegen den gewalttätigen Pfandbesitzer Christoph von
Gendorf steht Hüttel in der Reihe der Führer der ihre Freiheit und
Gerechtsame verteidigenden Bürgerschaft. So wie die andern weigert auch
er sich standhaft, den Huldigungseid gegen alles Herkommen kniend zu schwören.
Und als der Rat und die Gemeinde im weiteren Verlaufe des Kampfes zur Schlichtung
des Zwiespalts auf das Schloss zitiert werden, benützt er, den Auguren
gleich, einen Vorfall im Bereiche der Vogelwelt, um seine Mitbürger zum
mutigen Ausharren im langwierigen Streite anzueifern. Im großen Schlosshofe
sah nämlich die einziehende Gemeinde dem Kampfe eines Storches mit Dohlen
zu und verwunderte sich, wie die Letzteren den großen Gegner dreimal von
der Mauer wegbissen und verjagten. "Seht, Ihr Nachbarn", sprach da
schlagfertig prophezeiend Simon Hüttel, "das bedeutet etwas Neues.
Der Storch bedeutet den Herrn und die Dohlen die Gemeinde von Trautenau: Also
werden die Trautenauer den Platz behaupten!" Und dies war nachher auch
tatsächlich der Fall, sie durften stehend ihren Huldigungseid schwören,
so wie sie es bisher gewohnt waren.
Dass der seiner Vaterstadt so treu ergebene und für das allgemeine Wohl
unermüdlich tätige Mann, der sich mit einem gewissen Stolze "civis
Trutnoviensis" (Bürger von Trautenau) nennt, durch das Vertrauen seiner
Mitbürger zu den höchsten Ehrenposten in der Gemeinde berufen wurde,
ist eigentlich selbstverständlich. Im Jahre 1573 wurde er zum Ratsmann
gewählt und im darauffolgenden Jahre, 1574, trägt er eine Zeitlang
die Bürde des Bürgermeisteramtes. Doch scheint es, dass das geringe
Behagen an der bürokratischadministrativen Tätigkeit und sein Hang
zu anderweitigen Lieblingsbeschäftigungen ihn veranlasst haben, einer etwaigen
Wiederwahl absichtlich aus dem Wege zu gehen.
Solcher mit einer gewissen Leidenschaft gepflegter Lieblingsbeschäftigungen
hatte nämlich Hüttel zwei einmal die topographische Erforschung
der Umgebung von Trautenau, das andere Mal die Pflege der heimischen Lokalgeschichte.
Das von dem geschulten Auge des Malers die Reize der prächtigen Gebirgslandschaft
um Trautenau mit höherem Verständnisse erfasst wurden, liegt nahe,
und ebenso begreiflich ist, dass der Maler das Wandern über Berg und Tal,
durch Wald und Flur mit wahrer Herzenslust betrieb. Von einer solchen größeren
Vergnügungsexcursion nimmt er zum Jahre 1577 ausdrücklich Notiz, indem
er erzählt, dass er in diesem Jahre am 7. August mit elf Nachbarn auf den
"Riesenberg" (= Schneekoppe) "zu öberst hinaufspazieret"
ist! Sonst berichtet er von seinen Wanderfahrten nur, wenn diese irgendeinen
praktischen Zweck verfolgten. Im Jahre 1558 unternimmt er am 2. November zusammen
mit dem Schulmeister Valerius Grünberg und den Bürgern Christoph Ilgner
und Hans Teuffel eine Expedition zur Auffindung eines alten verfallenen Bergwerkes,
der sogenannten Goldgrube im Pfaffenwalde.
Am ausgiebigsten konnte Hüttel seiner Wanderlust bei den sogenannten Grenzbegehungen
genügen, wobei er zugleich das Nützliche mit dem Angenehmen vereinigte.
Nach der Gepflogenheit des 16. Jahrhunderts wurden die Grenzlinien zwischen
den einzelnen Gemarkungen durch äußere Kennzeichen wie: Baumeinschnitte,
Steine mit Buchstaben, Ziffern oder Wappen, mit Ackerfurchen und dergleichen
festgehalten. Von Zeit zu Zeit wurden die Grenzzeichen erneuert und durch alte
Gedenkmänner dem Gedächtnisse der jüngeren Generation der Verlauf
der Marken überliefert. Es wurden deswegen von seiten der Eigentümer
regelmäßige Grenzbegehungen abgehalten und solche insbesonders dann
veranlasst, wenn Grenzstreitigkeiten zwischen den Anrainern ausgebrochen waren.
Bei allen Grenzbegehungen, die der Rat von Trautenau in der 2. Hälfte des
16. Jahrhunderts anordnete, finden wir unter den städtischen Vertretern
mit der größten Regelmäßigkeit Simon Hüttel, gleichsam
als unentbehrliches Mitglied. Gelegentlich der Generalrevision der Trautenauer
Grenzen im Jahre 1573 nennt sich Hüttel geradezu den "Grenitzenbeschreiber",
womit er sich wohl als Protokollführer der Grenzbegehungskommission bezeichnet
wissen will. Zu diesem Amte qualifizierte er sich nicht bloß vermöge
seiner hervorragenden Lokalkenntnisse, sondern auch wegen seiner Gewandtheit
mit der Feder und seiner Fertigkeit im Zeichnen und in der Feldmesskunst.
Nicht bloß der Rat von Trautenau, sondern auch die kaiserlichen Behörden
nahmen die fachmännischen Kenntnisse Hüttels in Grenzangelegenheiten
und Vermessungsarbeiten gerne in Anspruch. Im Jahre 1564 beging die kaiserliche
Kommission die große Waldstrecke zwischen Trautenau und Königinhof.
"das Königreich" genannt. Hüttel, der als Vertrauensmann
seiner Vaterstadt der Kommission beiwohnte, wurde von dieser gebeten, die Geometerarbeiten
zu übernehmen, was er willig tat. "Also haben mich die kaiserlichen
Kommissäre angesprochen", erzählt er, "daß ich ihnen
die Ganzen ums Königreich abreißen und entwerfen sollte, welches
ich willig gethan habe. Also habe ich Alles fleißig abgemalet und habe
angefangen bei Marschov bis oberhalb Böhmisch Purwitz sammt allen
Gränzen und Dörfern zu beiden Seiten des Königreichs. Und sind
wir vom 6. bis 15. Juli 1564, d. i. in 10 Tagen, allererst herumgekommen."
Im Jahre 1569 kamen Kuttenbergische Markscheider nach Marschendorf, welche im
Auftrage des Kaisers Vermessungen im Riesengebirge vornahmen behufs der geplanten
Anlage neuer Wasserklausen zum Flößen des Holzes, das für die
Kuttenbergischen Bergwerke aus dem Grenzgebirge bezogen wurde. Auch diese wandten
sich an Hüttel, der sich eben im Kreppelhof aufhielt, und baten ihn brieflich
"ihnen zu helfen das Riesengebirge abzumarscheiden." Innerhalb von
vier Wochen wurden damals unter Mitwirkung Simon Hüttels die Höhen
der wichtigsten Berge des Riesengebirges gemessen und in den Tälern Nivellierungen
vorgenommen. Den Riesenberg selbst, d. i. die Schneekoppe, finden sie vom Riesengrunde
aus gerechnet 1920 Ellen hoch.
Noch an zwei anderen im Auftrage der Kuttenbergischen kaiserlichen Beamten vorgenommenen
Vermessungsarbeiten beteiligt sich Hüttel: im Jahre 1574 im Königreich,
wo die Trautenauer für die Abholzung in ihren Stadtwäldern entschädigt
werden sollten, und 1577, in welchem Jahre die von den Kaiserlichen abgeholzten
Strecken der Trautenauer Wälder aufgenommen wurden.
Da nun Hüttel seine zu amtlichen Zwecken vorgenommenen Aufzeichnungen zum
großen Teile seiner Chronik der Stadt Trautenau einverleibte, so hat er
uns ein höchst schätzenswertes historischgeographisches Material überliefert,
das über Namen und Lage der Fluren, Waldreviere, Wasserläufe usw.
in der weitesten Umgebung von Trautenau vor 400 Jahren ein vollständiges
und anschauliches Bild gewährt.
Zu seinen sonstigen Verdiensten gesellte Simon Hüttel auch das für
uns weitaus wichtigste als Chronist seiner Vaterstadt Trautenau.
Für den um alle öffentlichen Verhältnisse und Vorgänge in
Trautenau sich eingehend Interessierenden lag das Bedürfnis nahe, sich
auch in der Geschichte der Vergangenheit des geliebten Heimatortes genauer zu
orientieren. Da ihm auch sein Malerberuf einen gewissen Sinn für das Altertümliche
einflößte, so ist es erklärlich, dass er allerhand "Antiquitäten
und Scarteken" sammelte und beispielsweise die im Jahre 1534 im goldenen
Knaufe des Kirchturms gefundenen "Briefe" an sich brachte. Seine zeitweilige
Stellung als Ratsherr und Bürgermeister verschaffte ihm Kenntnisse von
den im Rathaus aufbewahrten Akten, und sein befreundetes Verhältnis mit
den einzelnen Stadtpfarrern, besonders mit Martin Tabernator (Kretschmer), dem
er samt Familie eine Zeitlang in seinem Hause gastliche Aufnahme gewährte,
ermöglichte den Einblick in die Dokumente des Pfarreiarchivs. Die kundigen
Stadtschreiber und Seelsorger mögen ihm denn auch ihre anderweitige Unterstützung
nicht versagt haben, sodass er sich im Jahre 1578 entschloss, ein "Gedächtnisbuch"
seiner Vaterstadt anzulegen, "das er gleich einem Heiligtum gehalten, seinem
lieben Vaterlande, einem ehrbaren Rate und gemeiner Stadt Trautenau zu Ehren
und zu seinem eigenen Namen zum guten Gedächtnisse".
Dieses Gedächtnisbuch, das Hüttel selbst zumeist Memoriativ, seltener
Memoriale nennt, ist in der Anlage eines Diariums gehalten, das es 1578 nicht
bloß der Form nach, sondern auch in der Tat darstellt. Es beginnt mit
dem Jahre 1484, greift in der Erzählung von der Gründung der Kirche
bis in das 12. Jahrhundert zurück und bricht mit dem 4. Dezember 1601 ab.
Für die älteren Zeitperioden legt es den Schwerpunkt auf die Auseinandersetzung
der Privilegien und des Pfandverhältnisses der Stadt, auf die Gründungsgeschichte
der Kirche, des Hospitals und der Schule und auf Daten über einzelne Pfarrer,
Kapläne, Schulmeister und Kantoren. Je mehr sich der Chronist der Zeit
nähert, in welcher er selbst schon beobachtete und miterlebte, desto weiter,
aber auch genauer fasst er den Stoff der Darstellung, welcher nichts, auch das
minder Wesentliche nicht, entzogen wird. Das Memoriativ hat so für die
zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts den Wert eines Repertoriums von Aufzeichnungen
aller nur halbwegs bemerkenswerten Ereignisse auf dem Gebiete des städtischen
und bürgerlichen Lebens und ersetzt uns, um einen Maßstab von heute
anzulegen, eine stattliche Reihe von Jahrgängen eines sorgfältig redigierten
Lokaljournals. Es entfaltet sich in demselben unseren Blicken das bis in die
kleinsten Züge treu wiedergegebene Spiegelbild des Alltagslebens einer
kleinen Stadt vor nunmehr rund 400 Jahren und dankbarst wird insbesondere der
Kulturhistoriker die Fülle scheinbar geringfügiger Notizen in den
Kauf nehmen, da gerade er der Überlieferung dergleichen Materials nicht
gut antraten kann. Simon Hüttels Auffassung der Verhältnisse ist eine
völlig unbefangene, und eine wohltuende Objektivität durchweht seine
schlichte Darstellungsweise. Er hält sich weit ab von jedem persönlichen
Angriff, und nur in seltenen Fällen klingt aus der Ruhe der breiten Erzählung
ein stärkerer Ton subjektiver Empfindung heraus. In tadelnder Weise spricht
er sich über das eigenwillige und trotzige Benehmen des hitzigen Pfarrers
Johannes Timus aus, kritisiert in äußerst vorsichtiger Weise dessen
Maßregelung bzw. Verabschiedung durch den Rat der Gemeinde, die seinen
Beifall nicht finden können. Selbst klagt er im Jahre 1591 über den
"hinter Vorwissen des gemeinen Mannes" eiligst vorgenommen Verkauf
der Ober- und Mittelmühle sowie des Pferdezolls und beschuldigt den Rat
der Nachlässigkeit und Saumseligkeit des Handelns im richtigen Augenblicke.
Die Stadt sei in große Schulden geraten. Auch die Schenkung einer Fleischbank
an den jungen Hans Picker im Jahre 1599 "von der Gemein wegen", muss
im nicht völlig ordnungsgemäß vorgekommen sein. Deutlicher spricht
er schon über die im Jahre 1601 in welchem Jahre seine chronologischen
Aufzeichnungen mit dem 4. Dezember enden beschlossene Bier- bzw. Brausteuer.
Es regt sich in ihm offenbar der "brauberechtigte" Bürger, und
er nennt die neue Umlage eine Schwächung der alten Privilegien, "so
die Kaiser Rudolfus und sein Großvater Ferdinand der Stadt Trautenau gegeben,
daß die Mitwohner frei bräuen sollten, ohne solch schwere Auflage
oder Geldgeben .."
Hüttel war ein frommer, gottesfürchtiger Mann. Den Vornamen Simon,
den ehrbaren Namen des Jünger Jesu und Apostels Simon, führte Hüttel
nicht zu unrecht. Er vernahm gerne das Wort Gottes aus beredtem Munde und legte
selbst eine Sammlung von 23 Predigten (!) an, die verschiedene Pfarrherren in
Trautenau gehalten.
Bei Erwähnung von Todesfällen ruft er dem Hingeschiedenen ein frommes
"requiescat!" oder "Gott gnad ihm!" nach. Einmal beklagt
er sich, dass am Christtag nur vier Personen zur Hl. Kommunion gegangen seien.
Bei der Erzählung von Unglücksfällen nimmt er Gelegenheit, auf
die Warnung Gottes hinzuweisen und zur Buße zu mahnen. In seinen späteren
Jahren schließt er den Bericht über die einzelnen Jahre zumeist mit
einem demütigen Dank, dass ihn Gott das Jahr habe überleben lassen
und mit der frommen Bitte um weitere Gnade und Segen.
Die Form Hüttels ist eine ungezwungene, einfache und schlicht treuherzige.
Seine Sprache entzieht sich nicht ganz dem Einfluss des lokalen Dialekts, lehnt
sich aber allgemein der gangbaren Sprache des 16. Jahrhunderts an, die mitunter
dem heutigen Laien in manchen Ausdrücken bzw. Worten unverständlich
ist, wozu noch eine andere Schreibweise resp. Rechtschreibung kommt (z. B.:
drewen = drohen, fohre = Forelle, nibig = neben, waif = Haspel etc.). Im Jahre
1583 gelegentlich des großen Brandunglücks, das am 12. September
Trautenau ereilte, schwingt er sich auf den Pegasus, um die wütende Feuersbrunst
in einem ziemlich nüchternen, aber gut gereimten, Liede ("wie man
das vatter unser singet") den Nachkommen zu überliefern,
Simon Hüttel war Maler, Chronist usw., aber auch ein Gelehrter, besaß
Kenntnisse im Latein und zeigte sich mit der tschechischen Sprache vertraut.
Tschechische Urkunden sind in seiner Chronik wiedergegeben, das heißt
uns in tschechischer Sprache durch ihn überliefert.
Der erzählende Text, der die Trautenauer Verhältnisse behandelt, wird
öfter durch eingestreute Nachrichten (zumeist in gereimten Versen) über
wichtige, eben vorgefallene Weltereignisse unterbrochen
Simon Hüttel hat der Nachwelt außer seiner "Chronik der Stadt
Trautenau" (auch "Memoriativ" genannt) noch zwei andere historische
Werke hinterlassen und zwar den sog. "Auszug" aus dem Memoriativ und
eine Sammlung von Sagen über die Gründung Trautenaus und der benachbarten
Dörfer. Simon Hüttel übertrifft in der Erfindung der fabelhaftesten
Gründungsgeschichten, mit dieser "Chronik" der 103 Sagen, selbst
den böhmischen Geschichtsschreiber Hajek.
Solange Hüttel es imstande war, führte er sein so viele Jahre sorgfältig
gepflegtes und geliebtes "Memoriativ", die "Chronik der Stadt
Trautenau", gewissenhaft fort. Da die Aufzeichnungen mit dem Schluss des
Jahres 1601 abbrechen, ist anzunehmen, dass der Chronist selbst bald darauf
falls er nicht längere Zeit krank darniederlag gestorben
ist. Fest steht, dass er mit diesem Zeitpunkt für immer die Feder aus der
Hand gelegt hat, denn die letzten Seiten seiner Eintragungen verraten die zitternde
Hand des Greises, der am Anfang des siebenten Jahrzehnts seines Lebens stand!
Von ihm, der nicht am selbst durch Fleiß und Arbeit erworbenen Besitz
hing, sondern diesen, wenn andere Not litten, mit ihnen teilte er beherbergte
über ein halbes Jahr die Familie des alten Pfarrer Martin Kretschmer, als
dieser einem anderen Pfarrer Platz machen und aus dem Pfarrhofe mit Frau und
Kindern ausziehen musste, aber selbe nicht gleich im Winter 1563/64 auf seine
neue Pfarrstelle in Langenau, wo er darnach noch über fünfzehn Jahre
als Pfarrherr wirkte, mitnehmen konnte von ihm, der sich, beseelt von
einem wahren Idealismus stets in den Dienst der Allgemeinheit stellte, wo und
wann immer man ihn brauchte, von ihm, dem alles von den Vätern, den Ahnen
Erworbene heilig schien um es der Nachwelt weiterzugehen, darf man am Schluss
seines Lebensbildes mit Recht und Genugtuung mit den Worten unseres Dichterfürsten
Schiller sprechen:
"Von des Lebens Gütern allen
ist der Ruhm der höchste doch;
wenn der Leib in Staub zerfallen,
lebt der große Name noch!"